Noëlle Châtelet: Die Dame in Blau, kiwi
Taschenbuch, € 7.90
In ihrer ungewöhnlichen Abhandlung über das Altwerden kommt die Autorin bzw.
deren Icherzählerin dem Alter zuvor, so dass es weniger um Abschied, als um
Begrüßung eines neuen Lebensabschnittes und dessen inneren und äußeren
Begleitumstände geht. Ein Buch für einen milden schläfrigen Spätsommernachmittag.
Die mitten im Leben stehende, beruflich erfolgreiche, von Männern
begehrte Icherzählerin, Anfang fünfzig, legt alles ab: die engen Kleider, die
hochhackigen Schuhe, den exklusiven Wohnraum, den Liebhaber, die Arbeit, die
Freundin. Sie folgt der „Dame in Blau“..........
Man stelle schon mal den Nachttopf bereit, sorge dafür,
dass eine – möglichst rote – gemütliche Katze in der Nähe ist, Musik
von Chopin, bequeme Schuhe und Kleider. Übergebe Schmink- und Farbtöpfe dem Müll
und begrüße graue Haare und Fältchen freudig wie alte Vertraute. Abschätzend-fordernde
Männerblicke gehen ins Leere, es braucht kein Kokettsein und keine sonstigen
Anstrengungen mehr. Hektik fällt ab. Eine neue Langsamkeit stellt sich ein, ein
neuer Rhythmus des Schreitens und Wiegens. Staub legt sich auf alles wie Schnee.
„Verzaubert“ Vergänglichkeit in Ewigkeit....... Wir nähern uns dem Alter
der Mütter und deren Mütter. Nach uns kommen die nächsten. Und so weiter.
Und so weiter. Endlichkeit, eingeflochten in den Endlos-Reigen.....
Die Icherzählerin überlässt der Tochter den Raum des
Flirts, der schlängelnden Beweglichkeit, des Spiels. Lächelnd, liebevoll, überlegt,
nicht überlegen. Nie traurig oder wehmütig. Begrüßt selbst das ihr so
schnell vertraut werdende „Andere“ - manchmal
verwundert darüber, woran sie so lange festhielt.
Sich dem Thema des Alters und des Altwerdens auf diese
Weise zu nähern ist schon erstaunlich. An keiner Stelle gibt es den
moralinsauren Finger, der uns anherrscht: „Finde dich damit ab!“ Noëlle Châtelet
macht in ihrem Roman neugierig auf das, was wir vielleicht lieber weiter von uns
fern wüssten. Es gibt immer was
zum Wundern und Schmunzeln. Und, zum Nachdenken.
Letztlich gelingt der Autorin eine überraschende Kapriole,
welche die Rezensentin, bei aller Neugierde, doch auch aufatmen ließ.
Ingritt Sachse
April 2003
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Die Dame in Blau.