Coughlin,
Con: Saddam Hussein. Portrait eines Diktators. Die Biograpie. List
Verlag, München 2002, 496 Seiten, mit Abbildungen, 24,00 Euro
Trotz seiner Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen stieg er zum
despotischen Herrscher des Iraks auf, was manchem Bewunderung abnötigt. Mag
sein - jedoch zeugen die Mittel, mit denen allein ihm dieser Aufstieg gelang,
lediglich von seiner Skrupellosigkeit und davon, dass er die Lektionen, die
Armut, Prügel, Ohnmacht und Demütigung ihm erteilten, in den absoluten Willen
zur Macht umzusetzen wusste. Wicht waren darüber hinaus noch die Lehrstunden
bei einem Onkel mütterlicherseits, der ihn "förderte" und ihm damit
ein wenig Liebe entgegen brachte, ihn als Nazi-Sympathisanten zugleich mit dem
nötigen ideologischen Stoff versorgte. Saddam, "der, der dagegen ist"
(so die Bedeutung des Namens) wird er genannt. Und tatsächlich ist er gegen
alle und jeden, die ihm nicht bloß zustimmen. Saddams Onkel war zugleich ein
glühender arabischer Nationalist und saß 1941 wegen seiner Nazibegeisterung
fünf Jahre im Gefängnis. Fünf Jahre, die für den damals vier- oder
fünfjährigen Saddam zu neuer Tortour wurden, da er zu seiner Mutter und ihrem
despotischen zweiten Ehemann zurück musste. Prügel und Demütigung waren sein
täglich Brot, und da er als vaterlos galt, erfuhr er ebenfalls von der
Dorfjugend Abscheu und Verfolgung.
Die politischen Ziele des Onkels wurden die des heutigen Herrschers, der seinem
Oheim auch einen Posten als Bürgermeister von Bagdad verschaffte. Saddam wollte
einen mächtigen nationalen Staat erreichten, letztlich um die Schmach seit dem
türkischen osmanischen Reich, aber auch dem "fröhlichen
Verschachern" der ehemaligen osmanischen Gebiete durch Engländer und
Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg zu tilgen. Die Briten hatten nämlich den
arabischen Führern die Unabhängigkeit versprochen, wenn sie ihnen gegen
die Türken beistehen. Besonders hintergangen wurde Sharif Hussein von Mekka
(Provinz Hegarz, heute ein Teil von Saudi-Arabien), den man schließlich durch
die Inthronisation seiner Söhne in den neue gegründeten Königreichen
Transjordanien, Syrien und Irak zu beschwichtigen suchte. Der neue König Faisal
wurde im heutigen Irak durchaus nicht gerne gesehen, waren die Bürger doch
gerade erst vom türkischen Joch befreit worden. Bereits 1919 wurde
vorgeschlagen, die Provinzen Mosul, Bagdad und Basra zu einer Nation zusammen zu
fügen, was nach der späteren Umsetzung den Grundstein für heftige Spannungen
zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden führte, die sich im Verbund mit dem
Bruch der britischen Zusagen 1920 in einer der größten Revolten entlud. Der
Aufstand wurde unter großen Verlusten von den Briten niedergeschlagen, die
schließlich ein ihnen gewogenes Marionettenregime unter König Faisal
installierten, wozu sie jedoch vorab noch eben den gefährlichsten Konkurrenten
mit Rückhalt im Volk, Sayyid Talib, auf die Insel Ceylon (heute Sri Lanka)
deportierten.
Das Hauptinteresse galt jedoch längst schon dem Öl, aber erst Saddam Hussein
sollte das Verdienst zukommen, den neuen Reichtum wirklich dem Irak zugute
kommen zu lassen. Darauf gründete sich sein Rückhalt im Volk. Diese
"Heldentat" suchte er durch geschickte Propaganda wach zu halten und
in einen Persönlichkeitskult gigantischen Ausmaßes überzuführen.
Vorerst besuchte er noch die Grundschule in Tikrit, was ihm zu neuer Schmach
gereichte, saß er doch als älteres, rohes, wildes Straßenkind aus einem armen
Dorf mit Fünfjährigen zusammen, die mehr wussten als er. Zwar war er
ehrgeizig, konnte jedoch die Aufnahmeprüfung für die begehrte Militärakademie
in Bagdad später nicht bestehen. Eine Schmach, die er 1976 tilgte, indem er
sich selbst zum General ernannte, inzwischen fest in der Regierung unter dem
Präsidenten Basr etabliert. Erster Feldmarschall wurde er durch eigene Gnade,
nachdem er sich selbst das Präsidentenamt ermordet hatte.
Zunächst trainierte sich Saddam im Prügeln und in der Führerschaft einer
Straßenband, mit der er politische oder sonstige sein Missfallen erregende
Gegner einschüchterte oder beseitigte. Sies sollte wohl ein weiteres Handykap
überdecken, das in seiner bäuerischen Sprach lag, die ihm noch lange Zeit
einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber der irakischen Führungsschicht
eintrug.
Mindestens sei 1958, der blutigen Revolte gegen die Monarchie,
sympathisierte Saddam nicht nur mit der Baath-Partei, sondern diente dort als
Mann für Grobe. Nunmehr trainierte er als Attentäter das Mörder-Handwerk.
Nach 1963 stieg Saddam vom Gangster zum Taktierer und Intriganten auf, der
im Windschatten des späteren Präsidenten Bakr in der Baath-Partei sein von
Stalin kopiertes System der Bespitzelung etablierte und so mehr oder weniger
unbemerkt zum mächtigsten Mann in der Baath-Partei aufstieg, wobei er sich der
"Saddameen" bediente, die in vielem den Nazi-Braunhemden glichen. Die
Art, in der sich Saddam im Verlaufe der nächsten Jahre systematisch aller
Rivalen entledigte, "hat etwas deprimierend Professionelles" (157). Er
beglich auf diese Weise auch uralte Rechnungen und scheute vor der Ermordung
"treuer Begleiter" nicht zurück.
Bis Saddam schließlich im Jahre 1979 endgültig die Macht ergriff, hatte er
sich als innen- und außenpolitisch geschickter Taktierer und Terrorist fest
etabliert. Er tätigte Waffengeschäfte, baute seine biologischen und chemischen
Arsenale auf, wobei er geschickt die jeweiligen Interessen der Blöcke der
kapitalistischen und kommunistischen Welt zu seinen Gunsten auszunutzen
verstand. "Das Regime trat die Menschenrechte mit Füßen, was anscheinend
niemand besonders beunruhigte, und Ende der siebziger Jahre kaufte der Irak
Waffen in Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Spanien,
Portugal, Jugoslawien und Brasilien" (212), indes die Sowjetunion mit
zuletzt 64% Anteil der Hauptlieferant blieb. War er bei biologischen und
chemischen Waffen recht "erfolgreich", so blieben ihm Atomwaffen
unzugänglich, obwohl er durch die Franzosen in den Besitz eines hoch
entwickelten Reaktors gelang.
Mit der Etablierung seiner Alleinherrschaft waren dem despotischen
Größenwahn kaum noch Grenzen gesetzt. Bis zum achtjährigen
iranisch-irakischen Krieg war der Irak ein Prosperierender Staat, in dem
Ausbildung und medizinische Versorgung für alle kostenlos zu haben waren.
Kostenlos? - Der Preis war der Despotismus, das Leben in einem totalen Staat,
das bei missliebigen öffentlichen Äußerungen schon mal leicht unter der
Folter verwirkt sein konnte.
Der Einmarsch in Kuwait sollte, nach Coughlin, die Schmach aus der
Niederlage im Krieg Irak-Iran tilgen, wurde jedoch zum Fiasko, weil Saddam die
amerikanische Botschafterin falsch verstanden hatte. Die USA würden
stillhalten, sollte er "nur" einen breiteren Zugang zum Golf und die
Einnahme eines Ölfeldes anstreben. Damit, dass er Kuwait annektierte, ging er
wohl zu weit.
Das weitere ist bekannt und wir haben hier den Aufstieg - und Fall? - eines
schwer gestörten Menschen vor uns, der inzwischen ebenso paranoid sein dürfte
wie Stalin es war, dem die Zeit und die machtpolitischen sowie wirtschaftlichen
Interessen der restlichen Welt zum Durchbruch verhalfen. Die Wurzeln reichen bis
in den kolonialistischen Imperialismus zurück. Und wer zahlt wohl die Zeche?
Das Buch ist gut lesbar und umso wertvoller, als es auf dreijähriger
Recherche eines mit dem Nahen und Mittleren Osten wohlvertrauten Journalisten
beruht und nicht er anlässlich des aktuellen Irak-Deasaters fabriziert wurde.
Heute ist der Autor Chefredakteur vom Sunday Telegraph.
Bernd Kuck
Bonn, Januar 2003
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Saddam Hussein. Porträt eines Diktators.