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Kaiser, Helmut: Grenzverletzung. Macht und Mißbrauch in meiner psychoanalytischen Ausbildung, Zürich/Düsseldorf 1996, 34,- DM


Schon längst ist es bekannt, daß es erheblichen Machtmißbrauch in Psychotherapien gibt. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zur Ausbildung der TherapeutInnen, die ihrerseits mit Macht und deren Mißbrauch Erfahrungen sammeln. Und dies nicht im Umgang mit der Macht und der Zügelung und Durcharbeitung ihrer Omnipotenzgefühle, sondern durch eigene leidvolle Erfahrungen während der Ausbildung.
Für Nichtangehörige der psychoanalytischen Zunft gibt es dabei keinen Grund zur Häme, denn zu solchen Übergriffen kommt es auch in anderen Ausbildungseinrichtungen des Metiers. Aber vielleicht sind die psychoanalytischen Institute noch anfälliger, da sie bislang eine Monopolstellung unter den Ausbildungseinrichtungen haben, da die Absolventen dann auch Zugang zur Abrechnung mit den Krankenkassen erhalten. Ferner umgibt die Psychoanalyse immer noch der Nimbus des Besonderen, des Auserwählten. Man erwirbt gleichsam die „höheren Weihen“. Darin liegt schon die Nähe zu religiösen Einrichtungen, zur Aufstellung von Dogmen, womit die Angst vor der Anklage der Häresie einhergeht. Daher gibt es bis auf wenige Stimmen kaum öffentliche Äußerungen zu den Mißständen in den Ausbildungsinstituten. Tillmann Moser ist eine solche Stimme, die er im Vorwort des vorliegenden Textes erhebt. Dabei offenbart er auch Rivalitäten zwischen den einzelnen Instituten, was hinsichtlich von Nachanalysen zu erheblichen Problemen führt. Moser ist aber selbst auch betroffen, da er dem Autor unbedingt sein derzeitiges Steckenpferd, die Körpertherapie, „verkaufen“ wollte. Das ist nicht einmal so problematisch, bietet doch jeder Therapeut das an, wovon er überzeugt ist. Es sollte aber auch respektiert werden, wenn jemand nicht „wie ein Baby lallen“ möchte. Immerhin verlief die Arbeit mit dem Autor so gut, daß er sich diesmal befreien konnte.
Eine andere Stimme ist Johannes Cremerius, der ein Nachwort beisteuerte, in dem er sehr dezidiert die Probleme der analytischen Institute beim Namen nennt und diese in einen historischen Kontext stellt.
Der eigentliche Text ist erschütternd. Soviel Arroganz und Selbstgefälligkeit auf Seiten der LehranalytikerInnen ist, so möchte man hoffen, eine Ausnahme - oder doch nicht? Zumindest findet überdurchschnittlich häufig eine Anpassung statt, eine Erziehung zu unkritischen, Nabelschau betreibenden Akteuren in der Psychoszene, so daß dabei die emanzipatorische und kulturkritische Seite der Psychoanalyse in Vergessenheit gerät. Und doch ist der Text nicht einfach als „neurotisch“ abzutun. Der Autor schildert differenziert und immer im Blick auf Übertragung und Eigenneurose, was ihm wiederfahren ist. Es ist keine bloße Abrechnung, auch keine Leichenflädderei, wie man ihm aus der Zunft entgegenrief, sondern es ist im Grunde ein Plädoyer für die Reform einer verkrusteten Struktur eines maroden Ausbildungssystems.
Tröstlich, daß die Macht der psychoanalytischen Institute in Deutschland demnächst geringer sein wird. Zumindest gibt es jetzt die Chance, die Strukturen zu verändern, da die Konkurrenz durch das Psychotherapeutengesetzt in der BRD größer werden wird. Zumindest für PsychologInnen verringert sich die materiell-existenzielle Abhängigkeit. Es bleibt zu hoffen, daß „die“ Psychoanalyse die Chance zu nutzen weiß.
Ein wichtiges Buch für alle, die sich zu TherapeutInnen ausbilden lassen oder als AusbilderInnen tätig sind.

Dipl.-Psych. B.Kuck

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Grenzverletzung. Macht und Mißbrauch 
in meiner psychoanalytischen Ausbildung



Siehe auch eine Besprechung von Ludger Lütkehaus.

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