Noëlle Châtelet:
Die Dame in Blau / Die Klatschmohnfrau / Das Sonnenblumenmädchen.
Romane. Übersetzung aus dem Französischen von Uli Wittmann.
kiwi Taschenbuch, Köln 2005, 445 Seiten
Die preisgekörnte „(Die) Dame in Blau“ ist der
erste Roman einer Trilogie. Zumindest hängen sie inhaltlich
zusammen. Die Protagonistin im erstgenannten Roman befindet sich –
wie die der anderen zwei – in einer Umbruchsituation. Die
vierzigjährige Verlagsmitarbeiterin, vermeintlich unersetzlich,
trifft zufällig auf eine alte Dame. Über die Verlangsamung
ihrer Schritte, sich denen der alten Dame anpassend, steht sie
plötzlich vor der Frage nach dem Sinn ihres Lebens. Sie bricht
aus der Hektik aus, zieht sich fast vollständig zurück und
beginnt der Beschaulichkeit, der Lust an der Betrachtung im Detail zu
frönen. Dies nimmt z.T. skurile Formen an, so dass der Leser
schon um den Verstand der Protagonistin fürchtet.
Das Ende
des Romans läßt denn auch offen, ob es sich um eine
Phantasie handelte, die sich gleichsam in Sekunden einstellte oder
tatsächlich um eine Begegnung mit Konsequenzen. Auf jeden Falle
ist es eine Kritik der Schnelllebigkeit.
Die Dame in Blau begegnet uns in der „Klatschmohnfrau“
wieder. Sie entpuppt sich als eine alte Dame, die, einer spontanen
Lust auf Kaffee folgend, in ihrem siebten Lebensjahrzehnt erstmals
wirkliche Liebe entdeckt. Sie beginnt einen neuen Lebensabschnitt, in
dem sie die Liebe entdeckt, sogar die nicht gekannte Eifersucht. Denn
bis zu dem Tod ihres Mannes lebte sie in einer freudlosen Ehe mit
einem Pedanten. Ebenso entdeckt sie eine nie gekannte Sexualität,
der sie sich mit soviel Schüchternheit nähert, wie ihr
Partner mit Respekt und Einfühlsamkeit. Teilweise verstehen sich
die beiden Greise in ihrer liebevollen Bezogenheit ohne Worte, die
Frau Châtelet für den Leser findet, dem die feinen Töne
so zugänglich werden. Bei der alten Dame soll die Mutter der
Autorin Modell gestanden haben.
Die Enkelin aus der „Klatschmohnfrau“ ist „das Sonnenblumenmädchen“. Auch sie ist im Umbruch, entdeckt
mit Aufblühen der Pubertät ihrerseits die Liebe. Und Frau Châtelet
gewährt uns auf einfühlsame und liebevolle Weise Einblick
in den inneren Aufruhr, wodurch die Leser wieder in Kontakt zu ihrer
eigenen vergangenen Lebenszeit kommen können.
Die Lektüre sei allen Psychologen jedweden Geschlechts
empfohlen. Da wird jedes Lehrbuch zu Staub und der Nichtgermanist
bzw. -romanist reiht Frau Châtelet in die Reihe großer
Literatinnen ein.
Bernd Kuck, Bonn
Januar
2007
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