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Haley, Jay: Die Jesus-Strategie - Die Macht der Ohnmächtigen, Weinheim 1990, Psychologie Heute Taschenbuch, 180 Seiten, 16,-- DM

Manchmal bleibt einem das Lachen im Halse stecken, wenn der Familientherapeut die Strategien beschreibt, wie man es in der "Kunst, schizophren zu sein", zu etwas bringt. Neben diesem Aufsatz, der u.a. eine herbe Kritik an der amerikanischen Medikamenten-Psychiatrie ist, kann der Leser seine Lachmuskulatur trainieren, wenn er die Machtstrategien im psychoanalytischen Setting vor Augen geführt bekommt. Ebenso heiter geht es zu wenn man in die Kunstfertigkeit zur Führung einer schlechten Ehe eingewiesen wird. Das alles erinnert sehr an Watzlawick, der uns eine "Anleitung zum Unglücklichsein" geschenkt hat.

Haley zeigt in subtiler Weise die Machtstrategien der Schwäche. Folglich leitet er die Aufsatzsammlung mit einer Darstellung des größten Strategen in der Geschichte der Menschenführung und -verführung ein: Jesus Christus. Es erscheint uns ein Wanderprediger, der es zu höchsten Weihen in der Strategie, durch Schwäche zu herrschen, gebracht hat. Von ihm haben alle späteren Volksverführer gelernt, wissentlich oder unwissentlich. Besonders verblüffend durch die Schlichtheit der "Beweisführung" (die sich auf die überlieferten Texte der Evangelisten stützt), ist das Resultat der humorvollen Untersuchung: Jesus wurde ans Kreuz geschlagen, weil er sich schlicht in der strategischen Vorgehensweise verschätzt hat. Wahrscheinlich werden die Theologen hier wiedersprechen, aber es macht Jesus immerhin sehr menschlich.

Unser Autor hat nicht nur Polemik für die Psychoanalyse übrig. Wenn er den Leser auch instruiert, wie man eine "therpeutische Null" wird, so findet sich auch eine Verteidigung der Psychoanalyse. So lobt er sie nicht nur in dem, was sie als Pionierwissenschaft geleistet hat, sondern auch in ihrer Leistung für die Psychiatrie. Als noch psychoanalytisch geschulte Psychiater den Kliniken vorstanden (heute sind es überwiegend Biologen), wurde die Geisteskrankheit wirklich noch studiert, verzichtete man doch auf die Ruhigstellung durch Medikamente. Heute pumpt man die Patienten mit Psychopharmaka voll, verharmlost die dadurch bedingten Hirnschäden und weiß immer weniger über die Verstrickungen der Patienten, weil niemand mehr den "reinen Wahn" zu Gesicht bekommt. Was man der Psychoanalyse immer vorwarf, erweist sich u.U. als wesentlicher Vorteil: Die lange Ausbildungszeit führte immerhin zu einem beträchtlichen Alter, was günstigenfalls auch mit menschlicher Reife verbunden war, die einen Therapeuten erst zu

Haley zweifelt sowohl die Wirksamkeit von Therapien an, wie er auch die Gläubigkeit psychologischen Theorien gegenüber in Frage stellt. Dabei bietet er selbst eine neue Theorie an, die sich auf Sullivan, M.H.Erikson und eine Modellvorstellung Gazzingas stützt, der von einer modulartigen Arbeitsweise des Gehirns ausgeht. Das Symptome interpersonell entstehen, ist wohl unstrittig. Kann man aber wirklich die Geschichte des Patienten in der Art der Konfliktverarbeitung dabei ausschließen und sich auf ein hirnphysiologisches Modell zurückziehen? Da scheint denn Haley das biologistisch-materialistische (Computer-) Weltbild einzuholen, das er anfangs noch in die Schranken weist.

Dipl.-Psych. B.Kuck

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