Johnson,
Chalmers: Ein Imperium verfällt. Karl Blessing Verlag
München 2000, 320 Seiten.
Dieses Buch ist um so bemerkenswerter, weil von einem Amerikaner
geschrieben, der in Berkeley und San Diego politische Wissenschaften lehrte und
renomiert genug ist, um nicht einfach als Spinner, Kommunist oder Fundamentalist
abgetan werden zu können. Bemerkenswert auch, weil es schon 1999 verfaßt
wurde, vor dem 11. September 2001.
Die zentrale These besteht darin, terroristische Phänomene wie auch den
"rapide zunehmenden Drogenkonsum" als "Rückstoß" einer
imperialen amerikanischen Politik zu verstehen. Amerikanische Regierungen
verhalten sich wie alte Imperien, wobei sie sich darauf
"beschränken", nicht mehr andere Länder faktisch zu besetzen,
sondern "lediglich" Militärbasen dort zu unterhalten und mit einer
beachtlichen Arroganz der jeweiligen Kultur zu begegnen. Allein die
amerikanische Lebensart kann glücklich machen und ist nach wie vor als
Exportschlager von jedem zu akzeptieren. Mehr und mehr gibt es ein Aufbegehren
gegen diese Art der Unterdrückung, wobei religiöse Fanatismen sich zum
Instrumentalisieren wunderbar eignen.
"Zum Beispiel wird inzwischen allgemein zugegeben, dass der
Bobenanschlag auf das Pan-Am-Flugzeug über dem schottischen Lockerbie, der zum
Tod von 259 Passagieren und elft Menschen auf dem Boden führte, ein
Vergeltungsakt für einen 1986 unter der Reagan-Regierung durchgeführten
Luftangriff auf Libyen war, bei dem Präsident Muammar Gaddafis Stieftochter
getötet wurde. (...) Zum Beispiel organisierte die US-Regierung in den
achtziger Jahren in Nicaragua den Widerstand gegen die linksgerichtete
Sandinisten-Regierung. Damals sahen amerikanische Agenten weg, als die
paramilitärischen Contra-Rebellen, die von ihnen ausgebildet und massiv
unterstützt wurden, ins Drogengeschäft einstiegen, um mit Geld aus dem Verkauf
von Kokain in amerikanischen Städten Waffen und Versorgungsmaterial zu
kaufen." (S. 25)
Was des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer und viele von den
USA als grundlose Terroranschläge gegen unschuldige Menschen dargestellte
Aktionen sind Vergeltungsschläge gegen eine von hochfliegenden Bombern, fernen
Schiffen agierende als unangreifbar erlebte Macht, die brutale Regime
unterstützt. Solche Rückstöße funktionieren im Grunde nach der alten Taktik
der Stadtguerilla, die es sich auf die Fahne geschrieben hatte, den Terror dort
hin zurück zu tragen, wo er ausgedacht wurde, gleichwohl im Gewand von
Entwicklungs- und Militärhilfe erschien. Dabei werden auch Verbündete der USA
getroffen. "Doch die meisten Rückstöße treffen die USA, die derzeit
einzige Weltmacht, den Hauptinitiator von verdeckten und halb verdeckten
Operationen, um repressive Regime an die Macht zu bringen, und den mit Abstand
größten Waffenhändler." (S. 29)
Das Strickmuster ist immer gleich. Die Amerikaner werfen Bomben z.B. auf
Kambodscha (mehr als im Zweiten Weltkrieg auf Japan), bringen eine
Dreiviertelmillion kambodschanische Bauern um und die mörderische
Rote-Khmer-Bewegung an die Macht.
Die Taliban, die heute von den USA bekämpft werden, wurden ehemals von der
selben Supermacht an die macht gebracht, wobei man sich wenig darüber mokierte,
dass sie ihre hinterweltlerischen Vorstellungen von Gerechtigkeit, Erziehung und
Rolle der Frau in die Tat umsetzten. "Wahrscheinlich trugen amerikanische
Geheimoperationen zur Entstehung ähnlicher Verhältnisse im Kongo, in Guatemala
und in der Türkei bei, so dass auch von dort Rückstöße zu erwarten
sind." (S. 31)
Die USA liefert vier Fünftel der türkischen Waffenimporte, erhält dafür die
Nutzung des NATO-Stützpunktes Incirlik von wo aus sie die irakischen Kurden
versorgt, um sie vor Saddam Hussein zu schützen, duldet jedoch gleichzeitig die
Unterdrückung der wesentlich größeren kurdischen Minderheit in der Türkei.
Die Menschenrechte werden immer wortschwallig betont, wenn es den Interessen der
Supermacht paßt, weshalb schon in den fünfziger Jahren eine Autorin schrieb:
"1948 wurde die Menschenrechte verabschiedet und seither nicht mehr
gesehen."
Die imperiale Macht, egal welcher Provenienz, verbirgt sich
"normalerweise hinter irgendeinem ideologischen oder juristischen Konzept -
Staatenbund, Allianz, freie Welt, der Welten, der kommunistische Ostblock -, das
die tatsächlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern
verschleiert". (S. 38f) So sollen die Bündnissysteme die Weltanschauung
der dominierenden Macht vertreten, heute - mangels Gegenspieler - nur noch der
freie Zugang multinationaler amerikanischer Konzerne, was man dann
verniedlichend "Globalisierung" nennt.
Die menschlichen Folgen von Militärbasen, die aufrecht erhalten werden,
obwohl der ursprüngliche Feind nicht mehr existiert, zeigt der Autor am
Beispiel Okinawas. Überhaupt ist der größte Vasall der USA, Japan, zugleich
der erste Staat, der seinen eigenen kapitalistischen Weg ging und erfolgreicher
wurde, als den USA je lieb war. Sicherheit boten die amerikanischen
Militärbasen auch nicht 1997 als durch die Wirtschaftskrise die Region
tatsächlich instabil wurde.
Ihre imperiale Politik setzen die USA durch, wo immer es geht, wobei sie
ihre geheimdienstlichen Aktionen vor der eigenen Öffentlichkeit zu verbergen
suchen, gleichwohl offen oder verdeckt repressie Regime unterstützen, wobei sie
sich zugleich gegen einen internationalen Gerichtshof sträuben, der seine
Fälle nicht nur vom UN-Sicherheitsrat zugewiesen bekommt, in dem die USA mit
ihrem Vetorecht jedes ihnen mißliebige Verfahren verhindern können.
Das Buch ist hochaktuell und es steht zu befürchten, dass die desolaten
Verhältnisse in der Welt noch eine Weile bestehen werden, nicht zuletzt wegen
der "Torheit der Regierenden".
B. Kuck, Januar 2002
direkt bestellen:
Ein Imperium verfällt. Wann endet das...