Kraft, Hartmut: Größenphantasie und
Kreativität. Mit einem Bildbeitrag von Thomas Huber. In deutscher und
englischer Sprache. Solon Verlag, Köln 1999, zweimal 31 Seiten ISBN 3 89770 004
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Im allgemeinen wird das Thema der Größenphantasie in der
Psychopathologie abgehandelt und damit in die Nähe der schwerwiegenden
psychiatrischen Krankheiten gerückt. Daher erregen sich die Gemüter meist
schnell, wenn das Thema angesprochen wird und dabei impliziert, dass jeder sie
hat. Man gewinnt schnell den Eindruck hier auf ein Staatsgeheimnis gestoßen zu
sein. Werden Sie denn zugestanden, dann nur ein bisschen. »Anders gesagt: Ab
einer gewissen Intensität sind Größenphantasien im Alltag für die so
genannten "krankhaften Gesunden" ("Normopathen"), die sich
stets nur im gesellschaftlich erwünschten und tolerierten Durchschnittsbereich
bewegen, nicht mehr "normopathiekompatibel"«.
Nun, tatsächlich sind die Grenzen fließend und Kraft trifft denn auch eine
Unterscheidung zwischen "leeren" und "gefüllten"
Größenphantasien. Man muss durchaus einiges an Kraft und Energie, Fleiß und
Ausdauer investieren, wenn man tatsächlich etwas Kreatives schaffen möchte.
Aber die krankheitszentrierte Sichtweise bzgl. der Bedeutung der
Größenphantasie für den schöpferischen Akt führt nicht viel weiter, als die
alte Debatte über Genie und Irrsinn. Kraft stellt unter anderem die These auf,
dass die Größenphantasie in Zeiten der Isolation und der ausbleibenden
Anerkennung vor dem Zusammenbruch des narzisstischen Gleichgewichts bewahren
kann. Sie gibt die Energie, eine Aufgabe überhaupt anzupacken, selbst wenn
andere schon etwas zum Thema gearbeitet haben. Auch hält Kraft nur begrenzt
etwas von der Art wissenschaftlichen Arbeitens, die erst einmal alles schon zum
Thema Hervorgebrachte rezipiert (was für naturwissenschaftliche Arbeiten
sicherlich sinnvoll ist) - manche gute Idee bleibt so oft ungesagt, oder wird
einfach von den "Vorvätern" erschlagen.
Problematisch wird es natürlich, wenn es nur darum geht: Hauptsache groß. So
zitiert Kraft einen seiner Patienten (Medizinstudent): "Ich werde der Größte! Entweder
bekomme ich den Nobelpreis in Medizin, oder ich werde der größte Penner unter
den Brücken von Paris!"
Fast noch wichtiger als für den schöpferischen Akt ist die Größenphantasie
wenn es darum geht, das geschaffene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich
zumachen. Das Laufen von Verlag zu Verlag oder von Galerie zu Galerie halten
nicht viele durch, und so bleibt denn vermutlich so manches interessante Werk
auf immer in der Schublade. Aber auch hier tröstet die Größenphantasie: Man
hofft auf den postumen Ruhm.
Der Text ist kurzweilig, humorvoll und anregend. Und wie zur Bestätigung des
Gesagten hat der Autor die Größenphantasie, sein Text wird ein internationales
Publikum interessieren, den kleinen Aufsatz gleich ins Englische übertragen
lassen und damit dennoch ein Buch daraus wird ihn noch um amüsante
Zeichnungen von Thomas Huber erweitert.
Bernd Kuck, Bonn