Yalom, Irvin D.:
Die Schopenhauer-Kur. Aus dem Amerikanischen von Almuth Carstens, New
York 2005 btb, 3. Auflage
2005
Wo ich bin, ist der Tod nicht, und wo der Tod ist,
bin ich nicht. Warum also den Tod fürchten? (Epikur) Diese tröstenden Worte
hatte der Analytiker und Psychiater Dr. Julius Hertzfeld schon vielen seiner
sterbenden Patienten "ins Ohr geflüstert". Und nun trifft es den 65jährigen
selbst: nach einer Routineuntersuchung wird bei ihm ein malignes Melanom
diagnostiziert. Im besten Falle könne er noch auf ein Jahr bei guter Gesundheit
hoffen, teilt ihm sein Arzt mit.
Nach der ersten
Woge des Schocks und der Panik, selbst so direkt der Begegnung mit der eigenen
Endlichkeit ausgesetzt zu sein, findet er erste Antworten in Nietzsches
Zarathrusta und ist bereit: Er würde genauso leben, wie er im vergangenen Jahr
gelebt hatte - und im Jahr davor und dem davor. Entschlossen, sich den
"erfolglosen" Therapien in seinem Therapeutenleben zu stellen, stellt er sich
der Begegnung mit dem ehemaligen Patienten Philip Slate, dessen Behandlung
bereits über mehr als zwanzig Jahre zurückliegt und dessen Sexsucht er nicht zu
heilen vermochte. Dieser überrascht Julius Hertzfeld mit seiner Behauptung, sich
selbst geheilt zu haben und zwar mit Hilfe der Lektüre von Schopenhauer. Philip
verfolgt eigene Interessen an weiteren Begegnungen mit Julius, und für diesen
bedeutet es eine Herausforderung, Philip an etwas teilhaben zu lassen, über das
er vor Jahrzehnten noch nicht verfügte: an seiner Reife - an seiner Reife, im
Angesicht der eigenen Begrenzung, im Angesicht des Todes.
Für ein Jahr besucht Philip die Therapiegruppe und der
Leser erlebt, wie echter Input echten Output bringt, wie der Lehrer vom Schüler,
vom Lehrer, vom Schüler..... lernt, Philips "Schopenhauerversteck" mehr und mehr
zu einem lebendigen und beziehungsreichen Austausch wird.
Wir erfahren einiges über Schopenhauer, über dessen Leben, dessen Werk, über
seine Wurzeln in der Philosophie, über die Weiterführung seiner philosophischen
Gedanken z.B. bei Nietzsche und Freud.
Wir erfahren einiges über
Gruppentherapie und die Bedeutung der Endlichkeit auch hier; darüber dass
Beziehungen nie und niemals statisch sind. Alle TeilnehmerInnen der Gruppe und
ihr Therapeut sind, durch die ihnen nun bewusst vorgegebene Endlichkeit,
besonders herausgefordert, all das zum Wachsen zu bringen, was nur wachsen kann
und über sich selbst - ein wenig - hinauszuwachsen.
Das alles sind hilfreiche und wichtige Ausführungen, um das Buch nicht
einfach als "spannenden Roman" zu lesen und um im Ansatz zu begreifen, was dort
eigentlich geschieht.
Yalom, einer
breiteren Öffentlichkeit inzwischen durch seine belletristischen Werke bekannt,
setzt auch in diesem Roman, sein Fachwissen brillant um. Jedes Kapitel wird mit einem
Zitat aus Schopenhauers Werken eingeleitet, wodurch bereits in die jeweilige
Thematik eingeführt wird.
In der dritten Auflage der gebundenen Ausgabe sind
leider kleine orthografische und grammatische Fehler enthalten. Sie lassen die
Leserin stutzen. Hatte der Verleger es eilig mit der Herausgabe und blieb
deshalb "wenig Zeit" zur gründlicheren Korrektur? Auf die Endlichkeitsfrage
bezogen, könnte es sich dabei um Peanuts handeln, allerdings scheint mir die
Frage der Genauigkeit und Stimmigkeit - wie auch in diesem Roman als Botschaft
enthalten - nicht mit der Frage nach Endlichkeit aufgehoben....... Z.B.
auf Seite 141: da ist von einer Danielle Steel die Rede, mit der Johanna
Schopenhauer, Arthur Schopenhauers Mutter, als deutsche Schriftstellerin
verglichen wurde. Gemeint ist hier vermutlich Madame de Staël, eine frz. Schriftstellerin, die zur Zeit
Johanna Schopenhauers lebte und maßgeblichen Einfluss auf das europäische
Geistesleben hatte.
Bonn, Oktober 2005
Dipl.-Psych. Ingritt Sachse
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