Gedichte im Monat Dezember 2004

Vorstadtmauern

grau, dunkel und eng.
Schwül, salzig und feucht
weht Nachtluft vom Kai.

Menschenleer, so scheint es,
die winkligen Gassen.
Nur aus der Kaschemme
streut Licht.
Hustet Musik.

Wie Katzen und Kater
streicht es umher
zu den rauchigen Klängen.

Rot schreit auf.
so plötzlich, dass du erschrickst.
Herzen verwundet.
Münder geschminkt.
Rosen mattprall
lachen und trinken,
tanzen und stampfen.
Drücken sich,
kichernd und flüsternd,
in Ecken.

Noch glaubst du dich sicher
auf deinem Balkon.
Belauschst - ein Fremder -
das nächtliche Treiben.
Da sehnst du dich schon,
eine der streichenden Katzen zu sein.

Große Fahrt

Sehnen
Suchen
Heimat, die es nie gab.

Du schwebst im Nebenl
zwischen Wachen und Träumen
und staunst,
als er vor dir am Ufer hält.
Der Schiffer mit seinem Boot.
Schweigsam.

Aber keine Frage,
dieses Zeichen gilt dir.

Silberhell
glitztert zu deinen Füßen der Fluss,
locken die Wellen:
"steig ein".

Dann gleitet ihr,
der schweigsame Schiffer
und du.
Nebel wird lichter.

Von Ferne dringt Rufen und Lachen.
Sie winken dir zu,
du winkst zurück.
Oh! Dort sein, bei ihnen!
Schon sind sie vorüber.

Euer Boot gleitet weiter.

Landschaften ziehen.
Grünbunte Felder
leuchten dich an.

"Halt, halt",
rufst du dem Schiffer zu.
Der aber schweigt und
schaut nur nach vorn.

Sie ziehen vorüber:
Gaukler und Schleme,
Junge und Alte
tragen Lasten oder nur sich,
tanzen und trudeln ihr Leben
an deinem Vorbei.

Das Wasser fließt breiter.
Wellen jagen
jetzt mutiger.
Stürzen, rufen und lachen.
Der Schiffer schweigt.
Horizont verliert sich in Horizont.
Du siehst dich selbst nun in ihm verschwinden
und bleibst - mal wieder -
zurück.

 © Ingritt Sachse, 27.09.2003
nach der Filmmusik von Nino Rothaar, aus La Strada, workshop bei "DITAT"

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"Gesehen und Gedichtet", eine Sammlung von Gedichten vorgelesen und musikalisch interpretiert (Querflöte)