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Gedichte im Monat November 2001

 


Die Holztreppe

Vom Keller bis unter dem Dach,
verläufst du durch das Haus.
Mehrmals benutzt wirst du am Tag,
du, die Treppe aus Holz.

Wenn ich an diese Treppe denke,
eiskalt wird es mir dabei.
Denn das Geräusch der Schritte, die ich höre auf den Stufen aus Holz,
jagen mir Angst und Schrecken ein.

Ein kleines Mädchen bin ich erst,
das Sprechen, das fällt mir noch schwer,
aber das Geräusch, wenn ein Mann die Treppe kommt rauf,
höre ich um so mehr.

Mein kleiner Körper, er kennt schon die Angst
steif macht er sich ganz schnell.
Gleich wird sich öffnen diese Tür,
gleich steht der Mann, der auf der Treppe war, vor mir.

Du bist mir nicht fremd, nein du bist mir vertraut,
manchmal ich sage Papa zu dir.
Aber mein kleiner Körper, er erkennt schon sehr früh die Gefahr,
die von Papa ausgeht.

Aber nicht nur in dem Haus, wo ich die ersten Jahre meines Lebens habe verbracht,
gibt es die Treppe aus Holz,
Jahre später bei Erich, einem Kollegen,
auch bei ihm zu Haus, verläuft eine Treppe aus Holz.

Erich, sehr oft er sperrt mich ein in seinem Haus,
im Keller ich bin gefangen, oder aber auch unter dem Dach.
Er hat noch viel schlimmeres vor mit mir,
als das, was Papa schon mit mir hat gemacht.

Schon sehr früh als Kind ich kenne sie, die Angst
und auch die Angst vor dem Tod,
Oft sehne ich mir als Kind aber den Tod herbei,
sehe als Erlösung ihn.

Denn auch die Schritte von Erich auf der Treppe aus Holz,
läßt mich, ein Kind, erahnen Schlimmes mit mir.
Denn ich weiß, nach dem Geräusch auf der Treppe aus Holz,
steht Erich, der Peiniger vor mir.

Heute ich bin eine erwachsene Frau,
noch heute tut mir alles weh,
noch heute wird mein Körper wie Stein,
höre ich Schritte in einem Haus,
wo die Treppe ist wie früher bei Papa und später bei Erich auch,
wo die Treppe ist aus Holz.

© Mona, 10.09.01

 


 

Ihr Tod 

Ich suche Spuren in Deinem Gesicht.

Nun ist es also soweit,
dass wir beide
gemeinsam alt werden?
So fühlt es sich an?
Hat uns ihr Tod verbunden?
Wie werden unsere Schritte sein?

Alles rückt näher.

Alles wird ferner,
wie das Kind,
das so unbeschwert, wie meine Wünsche an das Erinnern
gar nicht war.
Und soll nun endgültig groß sein?
Ich fühle mich klein
werde winzig
schrumpfe.

Finde mich an Dich gebunden
und will mir Alleinsein so recht
nicht vorstellen müssen.

Wie all dem entgehen,
dem andere vor uns und nach uns
wohl auch gern entgingen?

Die Hülle um mein Leben
hat Löcher bekommen.
Versuche sie zu stopfen und
reiße neue ein!
Kaum finde ich Platz unter ihr,
an dem mich kein Wetter aufspürt,
kein Sturm erreicht.

Eine milde und goldene Sonne,
die mich druchtränkt und durchfließt -
wo finde ich sie?
Nie im Leben!
Im Sterben vielleicht.
Dann lieber die löchrige Decke,
die an allen Ecken nicht reicht,
aber mit der ich doch
LEBE!

© ingritt Sachse, 22.06.01

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"Gesehen und Gedichtet", eine Sammlung von Gedichten vorgelesen und musikalisch interpretiert (Querflöte)  


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